Wie man ein interessantes Bild macht.
Verbrochen von Herrn Olsen am 27|08|2010Ich schaue mir ja ab und an mal Bilder an. Im Internet.
Nicht was ihr jetzt denkt. Das war in den Neunzigern.
Ich spreche von Fotos auf flickr, Blogs, Foren usw. Und so langsam beginne ich herauszufinden, warum mich die einen Bilder ansprechen und die anderen nicht. Mehr noch: Ich vermute, dass dahinter ein fast schon allgemeingültiges Prinzip steckt, dass man nutzen kann um selbst bessere Bilder zu machen.
Es geht darum, wie interessant ein Bild ist.
Folgende Theorie: Der Mensch ist größtenteils neophil. Neugierig. Auf der Suche nach interessantem, unbekanntem.
Warum kaufen Männer den Playboy, machen Frauen Schaufensterbummel? Weshalb fahren wir in fremde Länder? Der Niederländer in die Berge, der Tiroler ans Meer? Warum gehen wir in den Zoo oder ins Kino? Weil wir was anderes sehen wollen als das, was wir jeden Tag sehen.
Sieht man einmal von den Bildern ab, zu denen wir eine persönliche Beziehung haben (Hochzeits-, Nachwuchs-, Haustier- und ähnliches Zeug) empfinden wir besonders die Fotos interessant, die etwas zeigen, was wir so nicht jeden Tag zu Gesicht bekommen. Sei es weil das Motiv besonders ist oder weil ein bekanntes Motiv außergewöhnlich abgebildet wurde. Oder beides.
Ich gehe sogar so weit zu behaupten, dass die ganzen Gestaltungsregeln die einem beim Übergang vom Knipser zum Amateurknipser an die Marmel geballert werden einzig und allein darauf abzielen Bilder so zu „komponieren“, wie das menschliche Auge sie nicht sieht. Nicht sehen kann. Einzig um sie interessanter zu machen. Versucht mit euren Augen einmal einen Gegenstand zu fokussieren, der nicht in der Mitte eures Blickfeldes liegt. Was stellen wir fest? Genau. Geht nicht.
Gleiches gilt für Perspektive, Motivwahl, Licht, Brennweite und den ganzen Kram.
Warum sind Sonnenuntergänge so beliebt? Die meisten Leute sitzen zu hause wenn die Sonne untergeht.
Oder Schwarzweissfotos? Der Mensch sieht bunt.
Halbnackte Damen in hohen Schuhen vor verfallener Industrieruine? Begegnen einem im echten Leben eher selten. Es sei denn man ist hauptberuflich Industrieruine.
Das bringt mich zu der einfachen Formel: Außergewöhnlich = interessant und interessant ist gut. Meistens jedenfalls.*
Meine Empfehlung lautet daher: Macht eure Bilder so interessant wie möglich. Wählt außergewöhnliche Perspektiven. Sorgt für stimmungsvolles Licht. Geht nah ran. Probiert auch vermeintlich unsinniges aus. Achtet auf Details.
Viel Spaß!
Eigentlich wollte ich den Beitrag noch mit Vergleichsfotos aufpeppen aber ich schmeiße langweilige Bilder grundsätzlich weg. Sorry. (-;
Solltest Du auf der Suche nach noch mehr Weisheit sein gibt’s mein geballtes Fachwissen hier.
*) Die Formel gilt nicht für Betrachter, die zur Gruppe der Pixelpeeper gehören. Auch sogenannte Amateurfotografen und Forenspezialisten haben normalerweise andere Ansprüche an Fotografien. Glücklicherweise stellen sie aber nur einen unbedeutend kleinen Teil der Weltpopulation dar. (-;
„Es sei denn man ist hauptberuflich Industrieruine.“
Köstlich. ^^
Da hammse recht, als ich mal einen Winkelsucher zugelegt hatte, waren kurz danach die Knie von zwei Hosen durchgescheuert …
Winkelsucher ? Wie gibt man die gewünschte Gradzahl ein?
tetti: Es ist kein Winkelwünscher sondern ein Winkelsucher. Man gibt also den gesuchten Winkel ein. (-;
Wie ich immer sage: Unterwasser Fotos sind immer ganz besonders tolle Bilder, auch wenn sie flau, unscharf oder unterbelichtet sind. Nicht weil man sich so viel Mühe mit dem Bild gab, sondern weil es einfach immer ein außergewöhnliches ist. Klar, sind sie scharf, knackig und korrekt belichtet, werden sie umso besser.
Bei meiner ganzen Dia-Digitalisiererei kann ich auch dem schlechtesten Bild etwas abgewinnen. Nicht, weil es handwerklich gut wäre, sondern weil es Unwiederbringliches zeigt.
Frauen in Industrieruinen hingegen langweilen mich persönlich sehr, weil es einfach zu kitschig ist.
Und Sonnenuntergänge, da wird glaube ich ein ganz anderes Feld aufgemacht. Ich glaube nicht, dass hier die Außergewöhnlichkeit den Ton angibt, sondern das Wecken von Emotionen.
@Armin Gerharts:
Ich würde noch viel weiter gehen. Ein Foto wir umso ausdrucksstärker empfunden, je besser es beim Betrachter Erinnerungen (eventuell mit mehr oder minder starken Emotionen) abrufen kann.
Bei einigen Fotos reicht es eben nur zu der technischen Erinnerung, dass man das auch schärfer aufnehmen könnte oder der Weißabgleich nicht seinen Erwartung entspricht.
Daneben gibt es noch die Reproduktionsfotografie, die möglichst exakt abbilden soll.
Das, meine verehrte Olsenbande, ist ein ganz großartiger Text, den in einen teilweise Bilderthread eines Autoforums zu verlinken ich mir gerade erlaubt habe.
Gleichwohl möchte ich, was meine eigenen photographischen Versuche angeht, auf die Exculpationsklausel persönliche Erinnerungen betreffend mich berufen.
Es grüßt herzlichst
Der Kraftfahrer.
Zeile eins nach teilweise setze nichtsagenden.
Sich um mehr Sorgfalt bemühend grüßt zerknirscht
der Kraftfahrer.
Lieber Kraftfahrer,
ich habe keine Ahnung, was Du mir sagen willst. Gleichwohl heiße ich Dich willkommen. Auf das Herzlichste.
Das geht vielen so, und mir bisweilen auch. Kein Grund zur Besorgnis!
Hier ging es lediglich um den Versuch der Korrektur eines Flüchtigkeitsfehlers.
Zum Thema:
Ein Bild muß etwas zu sagen haben. Dann trägt es. Ob es Emotionen weckt oder nur schreit „Boah! Guck mal!“ ist dann gleich. Jedoch scheint mir auch das Wecken von Emotionen einfacher, wenn das Bild in irgendeiner Form von den Sehgewohnheiten abweicht. Das Ungewohnte motiviert uns, in das Bild einzusteigen. Tante Erna mittig vor der Akropolis haben wir schon zu oft gesehen, klick, weiter. (jedenfalls, solange es nicht unsere Tante Erna ist und wir dabei waren).
Gelänge es nun aber, etwas Besonderes einzufangen – die Aesthetik des Verfalls, die Touristenmassen, die gleißende griechische Sonne, die Selbstverständlichkeit, mit der die Antike in der Moderne präsent ist – der das Aufeinanderprallen aller dieser Welten – dann verweilen wir.
Das gelingt aber nur, wenn der Photograph einen Idee hatte, was er darstellen will – und wie. Er muß erst sehen und dann umsetzen. Vielleicht tut er das nicht bewußt, aber das Hirn arbeitet daran.
Aus dieser Auseinandersetzung ensteht das von Dir angesprochene nicht immer Ungewöhnliche, Ungewohnte, aber auf jeden Fall Neue.
Ich würde es vielleicht etwas anders formulieren: die krasse Perspektive, das Licht, die Nähe – um des Effektes willen bringt das nichts, es kann uns aber eine andere Wahrnehmung eröffnen.
Allerdings kann die Suche des Effekts uns erst die Augen öffnen und aus den festgefahrenen Bahnen tragen. Als ersten Schritt von der Knipserei zum gestalteten Bild ist die Suche nach dem Effekt wohl unverzichtbar: damit beginnt die Auseinandersetzung mit dem Motiv. Von „wie setze ich das in Szene, wie es noch keiner gemacht hat?“ ist es nicht weit zu „was sehe ich hier ganz Besonderes, was ich zeigen will?“
Außerdem sieht man mit der Spaltaxt eher Erfolge als mit dem Taschenmesser, und das ist nicht ganz unwichtig, wenn es denn Spaß machen soll.