Der Präsident
Verbrochen von Herrn Olsen am 01|06|2010Als gestern diverse Neuigkeiten-Verklapper die Nachricht vom Rücktritt unseres Bundespräsidenten um die Wette verbreiteten erinnerte ich mich an den Satz meines Politik-Lehrers in der 8ten Realschul-Klasse:
„Um es kurz zu machen: Der Bundespräsident hat in Deutschland nix zu sagen.“
Als damaliger Dreibierkistenhoch war ich von dieser Tatsache einigermaßen erstaunt – und bin es heute noch. Ein Blick in die Wikipedia verrät:
„Durch das Grundgesetz ist seine Macht im politischen System des Landes beschränkt und umfasst vor allem repräsentative Tätigkeiten…“
Für repräsentative Tätigkeiten benötigt Deutschland keinen Bundespräsidenten. Ehrlich: Die Eindrücke, die ein kleines Grüppchen besoffener Deutscher am Ballermann oder Guido Westerwelle im Ausland hinterlässt könnte selbst Horst Köhler in Personalunion mit Johannes Rau und Richard von Weizsäcker nicht wieder wettmachen.
Mit anderen Worten: Ein Bundespräsident ist Luxus.
Braucht kein Mensch.
Und doch war die Nachricht vom Rücktritt Horst Köhlers am gestrigen Tag von offenbar höherem medialen Interesse als die Tatsache, dass die israelische Armee auf einem zivilen Hilfskonvoi ein Blutbad anrichtet und sich der Golf von Mexiko zusehends in maritime Kraftbrühe verwandelt (wegen der Fettaugen).
Angesichts der überall klaffenden Löcher im deutschen Staatshaushalt muss die Frage erlaubt sein, ob man sich einen Bundespräsidenten überhaupt noch leisten kann oder ob man Schloß Bellevue nicht gleich in etwas Gewinn bringenderes als den Sitz des Staatsoberhauptes umwandelt. Ein Stundenhotel vielleicht. Oder die Regierungsviertelkantine. Die Villa Hammerschmidt wird Aussenstelle des Phantasialandes, der Fuhrpark wird dem Gebrauchtwagenmarkt zugeführt und die plötzlich überzähligen Staatsdiener zu Steuerfahndern umgeschult.
Ja… ich weiß, dass der Bundespräsident auch andere Aufgaben hat als dem Volk die Weihnachtsbotschaft zu erzählen und das Verdienstkreuz zu verleihen aber sind wir doch mal ehrlich: Die Prüfung von Gesetzen kann ersatzlos entfallen. Den Mist, den sich die Legislative teilweise ausdenkt kippt mittlerweile das Bundesverfassungsgericht schon routinemäßig. Um auf Missstände aufmerksam zu machen haben wir mittlerweile jede Menge Blogger, gegen die nicht direkt diverse Parteien und die gesamte Presse Gift und Galle spucken, sollten sie zufällig in ein Wespennest gestochen haben und sollte die Vertrausensfrage mal wieder scheitern, wie einst bei Schröder, kann auch die Putzfrau den Bundestag auflösen. Oder man klingelt kurz bei mir durch. Ich mach das. Kostenlos. Wo muss ich unterschreiben?
Es ist schon schlimm, dass Deutschland keinen Bundes-Horst mehr hat und dann noch mit
sofortiger Wirkung . Ich würde Franz Beckenbauer als Bundes-Franz vorschlagen , aber der ist ja schon Kaiser.
Wen hattest Du in der 8. in Politik ???
Bernd B.?
Thomas: Diesen langen, der die eine Augenbraue immer so hoch zog. Den Namen hab ich vergessen.
So, Herr Olsen. Jetzt bitte noch mal zurück zur Wikipedia und noch mal etwas weiter lesen als den ersten Absatz (zum Beispiel den vierten Absatz, Aufgaben und Befugnisse). Ihre Meinung, der Bundespräsident sei obsolet, ist nämlich meiner Meinung nach Hornochsenscheiße.
Warum? Nun, mir persönlich ist es zumindest eindeutig lieber, wenn ein zumindest halbwegs überparteilicher Bundespräsident z.B. Bundesrichter ernennt, Gesetze gegenzeichnet (oder auch nicht) oder den Verteidigungsfall, zu Deutsch Krieg, verkündet, als wenn eine Kanzlerin oder ein Minister, der/die mindestens die Hälfte der Legislaturperiode nur an Wahlkampf denkt, dieses tut.
Im Übrigen: die in Mode geratene parlamentarische Unart, salopp gesagt „bescheuerte“ Gesetze zu verabschieden, die dann in Karlsruhe zerfleddert werden (müssen), würde ohne die Kontrollinstanz des Bundespräsidenten noch deutlich mehr Auswüchse bekommen.
Jan: Dir sei versichert, dass ich den gesamten Artikel gelesen habe. Und ganz ehrlich: Sollte es tatsächlich zum sogenannten Verteidigungsfall kommen wäre es mir persönlich vollkommen und absolut Wurst, ob der Bundespräsident, der Kanzler, Kaiser Franz oder Cindy aus Marzahn diesen verkündet. Ich bleibe dabei. Der Bundespräsident ist Luxus und die zwei Gesetze, die der Präsident pro Amtszeit nicht absegnet lehnt das Bundesverfassungsgericht noch vor der Mittagspause auf einer Backe ab.
hmm, und wie können wir das ganze ändern? muss man dazu der Politiker-Kaste beitreten um nach und nach selbst einer „von denen“ zu werden?
@H. Olsen: Der „Lange, der die Augenbrauen hochzog“… klingt nach H. Hamacher.
Was das Amt des Bundespräsidenten angeht: Die vorwiegend repräsentative Funktion hat in der Vergangenheit mehr als einmal dabei geholfen das Bild der Deutschen im Ausland positiv zu beeinflussen. Als Beispiel sei hier die Rede von Horst Köhler in Israel vor der Knesset genannt.
Oder:
Richard von Weizsäcker hat viel zum Thema Vergangenheitsbewältigung bewirkt (NS Zeit). Dies wäre ohne sein Amt so nicht möglich gewesen, bzw. hätte es nicht die gleiche Wirkung gehabt. Das Amt genießt sowohl nationale als auch internationale (Be)Achtung.
Ich bin froh, dass wir uns einen solchen Luxus leisten.
Er soll ja auch das „moralische Gewissen“ sein. Nicht nur schlimm genug, dass die Politik sowas überhaupt als Extraposten braucht. Die Kandidaten, die die momentan haben wissen nicht mal wie man Moral oder Gewissen schreibt.
Volker: Hamacher… Bingo.
[…] habe mur den Blog von Herrn Ohlsen durchgelesen und muss ihm recht geben. Eigentlich brauchen wir keinen Bundespräsidenten. Er […]